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USA TEIL 12

Manchmal sollte man Dinge hinterfragen…

USA Teil 12

Wer mich ein wenig kennt, weiß, dass ich das permanent tue. Nicht nur mein Umfeld, Politik oder sonstige Dinge, sondern vor allem auch mich selbst. Es gibt Menschen die mich lange oder gut genug kennen, um sich ein Urteil darüber erlauben zu dürfen, was mein Lebensweg betrifft. Und es gibt auch Menschen unter ihnen, die behaupten, dass es nicht der Leichteste gewesen sei, ich selbst habe das sicherlich nur in schwachen Momenten so gesehen. Vielleicht weil wir an unserem Lebensweg wachsen. Ich kenne Menschen, die sind so unglaublich stark, so taff, so “proud“ weil sie eine Geschichte haben, eine heftige… Jemand der mir nahe steht sagte mal, dass nur Menschen mit harten Geschichten sich gegenseitig verstehen. Vielleicht hat sie Recht.

Warum ich gerade darüber nachdenke? Weil ich ein Wochenende hatte, was mich zum Nachdenken gebracht hat, was mich bewegt und berührt hat. Ich war am Samstag auf einer Podiumsdiskussion. Thema 50 Jahre Stonewall. Die Leute haben ihre Geschichten erzählt. Eigenes Entdecken, Outing, leben und überleben. Wenn man wie ich seit einigen Jahrzehnten geoutet ist, denkt man darüber eigentlich nicht mehr wirklich nach, bis gestern. Irgendwie kamen da auch meine Gedanken hoch. Mein Leben und wie es in manchen Situationen wirklich eng war, aber es ist dennoch nicht vergleichbar. Vielleicht weil keine Geschichte vergleichbar ist. Jeder schreibt seine eigene…

Ich bin in der ehemaligen DDR geboren und aufgewachsen. Das erste Mal verliebt habe ich mich bereits in der Grundschule. Und ob man es glaubt oder nicht, selbst meinen ersten Kuss bekam ich von einer Frau. Natürlich habe ich damals als Kind und Teen über diese Dinge nicht gesprochen, ich denke ich kann heute nur dankbar darüber sein, dass ich offenbar relativ gut darin war, Dinge zu verdrängen. Homosexualität oder all die anderen Formen, für die es heute Namen und einen Platz in der Gesellschaft gibt, die gab es damals noch nicht. Das was ich fühlte, gab es noch nicht. Und ja ich habe mich mehr als nur einmal in meinem Leben gefragt, was mit mir nicht stimmt. Was da nicht in Ordnung ist und warum. Ich bin in einer relativ kleinen Stadt aufgewachsen, Fehler durfte man sich kaum erlauben, denn das Getratsche hätte es schnell verbreitet. Bedingt durch eine schwierige Familiensituation hatte ich aber komischerweise schon als Kind ein gutes Gefühl dafür, dass ich eines nicht wollte, noch mehr im Fokus zu stehen, als es eh schon der Fall war. Und das war auch irgendwie schon schwer genug. Und doch hatte ich meine erste Freundin bereits mit 14. Natürlich alles mega heimlich.

Als ich mit 16 von Sachsen nach Ulm ging, war ich nicht nur plötzlich 750 km von „zu Hause“ entfernt, sondern es war auch ein völlig anderes Leben. Ich wohnte in einer größeren Stadt und viel mehr Menschen und kurioserweise bekam ich auch relativ schnell Zugang zur Community. Durch eine Arbeitskollegin kam ich damals zu einer ehrenamtlichen Tätigkeit in der Aids Hilfe und darüber dann irgendwann zu einem Infostand bei einer Schwul/Lesbischen Party. Was für eine Offenbarung. Diesen Abend werde ich vermutlich niemals vergessen. Da waren so viele Frauen und Männer und sie hatten alle irgendwie was mit mir gemeinsam. Ich war nicht mehr allein und vielleicht doch weniger abnormal wie ich dachte. Ich hatte Glück, dass ich in vielen Phasen meines Lebens Menschen in meiner Umgebung hatte, die mich akzeptiert haben, wie ich war. Aber es gab auch die anderen, die glaubten, es sei alles nur eine Phase und ich müsste mal klarkommen. Ich habe einen Job verloren als es raus kam und „alte Freunde“ wandten sich ab, weil sie glaubten, nur weil sie weiblich sind, muss ich sicher auch mal auf sie gestanden haben….

Vielleicht verstehe ich erst heute mit Abstand, dass selbst solche „kleinen Seitenhiebe“ bedeuten, dass dich jemand ablehnt auf Grund deiner sexuellen Orientierung. Aber diese Ablehnung beschränkt sich eben nicht nur aufs Schlafzimmer. Was viele vielleicht nicht bedenken, die Menschen so etwas sagen, ist die Tatsache, dass ihr dem anderen dadurch sagt, du bist nicht in Ordnung wie du bist. Dieses Gefühl greift um sich und für den Kritisierten kann das wirklich zum Problem werden. Ich war im Grunde immer ne Grossklappe und habe mich schnell verteidigt. Aber das bedeutet nicht, dass ich auch innerlich immer taff war. Ich ticke nicht wie der Großteil der Gesellschaft, ich bin anders, ja… aber das heißt noch lange nicht, dass ich nicht richtig bin, wie ich bin. Aber hey, das zu erkennen ist ein Prozess der Jahre dauert und eben nicht nur das eine Thema betrifft, sondern unser gesamtes Dasein. Wie oft wurde ich von öffentlichen WCs oder aus Umkleidekabinen geschmissen, mit dem Kommentar „Hast dich wohl verlaufen“. Nein das habe ich nicht. Warum darf ich als Frau nicht aussehen wie ich möchte, warum ist es offensichtlich vorgeschrieben, dass eine Frau Makeup haben muss, lange Haare, Nagellack und ein Kleid? Wo steht das geschrieben? Bin ich auf Grund meines Erscheinungsbildes weniger Frau? Diese Diskriminierung trifft mich noch heute. Immer wieder. An guten Tagen lächel ich sie weg oder hinterlasse einen kessen Kommentar. An schlechten Tagen treffen Sie mich wie das erste Mal, weil mir bewusstwird, dass sich das vielleicht niemals ändert. Und ich muss mir selbst eingestehen, dass ich im Laufe der Jahre müde geworden bin, müde für mein Recht zu kämpfen nicht nur akzeptiert, sondern auch respektiert zu werden wie ich bin. Denn ich bin gut so wie ich bin.

Und jetzt lehne ich mich ganz weit aus dem Fenster und mache mir keine Freunde mit meiner Aussage, wenn ich sage, dass diese Diskriminierungen innerhalb der Community nicht weniger schlimm sind. Man sollte annehmen, dass gerade innerhalb einer Community wie der unseren alle an einem Strang ziehen, dem ist bei weitem nicht so. Zumindest empfinde ich es nicht so. Es fängt bei Schwulen an die zu tuntig sind, über Kampflesben, bis hin zu den ganzen Falschaussagen über Transgender. Viele Dinge werden gesagt aus Unwissenheit, aber sollten nicht gerade wir wissen, dass dies keine Entschuldigung dafür ist? Wenn ich mich in einem Bereich nicht auskenne, gibt es zwei Möglichkeiten mit meinem Unwissen umzugehen. Entweder informiere ich mich, oder ich halte verdammt noch mal die Fresse. Und ich schließe mein eigenes Fehlverhalten dabei nicht aus. Was aber nicht bedeutet, dass ich es nicht besser machen möchte.

Ich bin eine Frau, die sich gern maskulin kleidet, gern kurze Haare trägt und deswegen noch lange nicht die „Kampflesbe“ ist. (was für ein grausames Wort ist das eigentlich). Ich habe sicherlich „starke“ Seiten an mir, wirke vielleicht auch manchmal unnahbar, aber wer mich kennt, weiß das sich durchaus auch ganz andere Seiten habe, Seiten für dich ich mich nicht schäme, ganz im Gegenteil. Ich stehe auf Schnulzen und Filme zum Heulen, ich mag Umarmungen und Menschen mit einem Lächeln im Gesicht und ich bin durchaus gern im richtigen Moment ein „Softy“ … vor allem bin ich aber gern Frau. Und ich lasse mir das auch nicht mehr absprechen.

Wir sollten Menschen nicht vorschreiben, wie sie zu sein haben. Und wenn sie anders sind, hey dann sprecht sie an, lasst es euch erklären oder haltet zumindest Euren Mund und urteilt nicht.

Auf dem Stonewall March heute habe ich eine Dame kennengelernt die weit über 50 war. Sie meinte, für sie seien diese Demonstrationen so wichtig, weil sie weiß wie es angefangen hat. Sie war nicht bei den Ursprüngen dabei, aber sie ist alt genug um beurteilen zu können wie es früher war. Und ja es hat sich viel getan. Aber es reicht noch nicht. In ihren Augen konnte ich irgendwie sehen, dass ihr das alles noch immer weh tut. Erinnerungen….an Zeiten in denen wir eben noch nicht so offen leben konnten, wie wir es heute vielleicht können. Diese Generation derer, die diese Schmerzen und die Erinnerungen daran tragen müssen werden irgendwann nicht mehr da sein. Wir müssen dafür sorgen, dass das Gedenken daran, wo all dies seinen Ursprung hat nicht verloren geht. Dass wir dies an die kommenden Generationen weitergeben damit verstanden wird, dass ein CSD nicht nur eine bunte Party mit viel Alkohol und Spaß ist, sondern dass es Menschen gab und auch noch immer noch gibt, die sterben. Sterben weil sie sind, wie sie sind.

Und auch wenn ich vielleicht Glück hatte in einigen Bereichen meines Lebens, so habe auch ich Erfahrungen gemacht die mich geprägt haben. Und auch bei mir war nicht alles easy going, aber ich realisiere und bin dankbar dafür, dass ich Glück hatte. Glück, dass ich nicht in Therapie geschickt wurde, geschlagen wurde, misshandelt, von der Familie verstoßen, im Auto oder bei Freunden auf der Couch pennen musste, dass ich nicht gesagt bekommen habe, dass ich deswegen nicht mehr nach Hause kommen solle… ich könnte diese Liste endlos weiterführen. Bei mir hat sich scheinbar einfach niemand dafür wirklich interessiert und ich habe vielleicht die Kraft gehabt, die Menschen die mir nichts Gutes wünschen aus meinem Leben zu verbannen, aber wir, die die stark sind, sollten kämpfen für die, die es nicht sind und unsere Hilfe brauchen. Und auch wenn ich manchmal müde bin und auch wenn ich mal gesagt habe, nun ist es an der Zeit, dass die Generation nach uns weiter macht… seit diesem Wochenende weiß ich wieder, dass man sich so einfach nicht aus der Affäre ziehen kann und sollte…

Unfortunately, my English is still not at a level where I would like it to be. I’d like to say at some point that I feel as comfortable in English as I do in German, but I’m still a long way from that. But I think that sometimes you can only learn if you make mistakes, so this blog is also available in English (by request) and I am always open for improvements. 😉

Sometimes you should question things…

Anyone who knows me a little knows that I do it all the time. Not only my social environment, politics or other things, but also myself. There are people who know me long enough or well enough to be allowed to make a judgement about my life. And there are also people among them, who argue that it hasn’t been the easiest, I certainly only saw it that way in weak moments. Perhaps because we are growing on the path of our lives. I know people who are so incredibly strong, so tough, so „proud“ because they have a story, a hard one… Someone close to me once said that only people with hard stories understand each other. Maybe she’s right.

Why do I think about it? Because I had a weekend, which made me thinking, which moved and touched me. I was at a panel discussion on Saturday. Topic 50 years Stonewall. People told their stories. Discovering, outing, living and surviving. If you’ve been outed like me for a few decades, you don’t really think about it anymore everyday…until yesterday. Somehow my thoughts came up. My life and how it was really tight in some situations, but it’s still not comparable. Maybe because no story is comparable. Everyone writes his own…

I was born and raised in the former DDR, East Germany. I fell in love for the first time in primary school. And believe it or not, I even got my first kiss from a woman. Of course, as a child and teen, I didn’t talk about these things. I think I can only be grateful today that I was apparently relatively good at repressing things. Homosexuality or all the other forms for which there are names and a place in society today, they didn’t exist that time. What I felt did not yet exist. And yes, I asked myself more than once in my life, what was wrong with me. What is not right with me and why. I grew up in a relatively small town, you could hardly afford to make mistakes, because the gossip would have spread it quickly. Due to a difficult family situation, however, it was strange that even as a child I had a good instinct that I didn’t want one thing: to be in focus more than I already was. And that was also somehow difficult enough. I had my first girlfriend already at the age of 14 – of course everything mega secretly.

I was 16 years old when I went from Saxony to Ulm by myself. Not only was I suddenly 750 km away from „home“, but it was also a completely different life. I lived in a bigger city and many more people and curiously I also got relatively quick access to the Community. Through a colleague I came to an volunteer work in the „Aids Hilfe“ and then sometime to an info-stand What a revelation. This evening I will probably never forget. There were so many men and women and they all had something in common with me. I was no longer alone and perhaps less abnormal than I thought. I was lucky that in many phases of my life I had people around me who accepted me, like I am. But there were also the others, who thought, it was all just a phase and I had to get along. I lost a job when it came out and „old friends“ turned away, because they thought, just because they are female, I surely have a crush on them too.

Maybe it is only today that I understand by far that even such „little side blows“ mean that someone refuse you because of your sexual orientation. But this refusal is not just limited to the „bedroom-thing“. What many people may not think about, when they say something like, that is the fact that you are telling the other that they are not okay as they are. This feeling is spreading and for the criticized person it can really become a problem. I was basically always a „big mouth“ and defended myself quickly. But that doesn’t mean that I was always tough also inside. I don’t tick like most of society, I’m different, yes… but that doesn’t mean that I’m not right as I am. But hey, to recognize this is a process that takes years and doesn’t just concern one topic, but our entire existence. How often have I been kicked out of public restrooms or changing rooms with the comment „Have you lost your way?“ No, I didn’t. Why am I not allowed to look like I want, as a woman, why is it obviously mandatory for a woman to have makeup, long hair, nail polish and a dress? Where is it written?

Am I less of a woman because of my look? This discrimination still affects me today. Again and again. On good days, I smile them away or leave a cheeky comment. On bad days they hit me like the first time, because I realize that this may never change. And I have to admit to myself, that over the years I have become tired, tired of fighting for my right not only to be accepted, but also to be respected as I am. Because I am good as I am.

And I know I don’t make any new friends with my statement when I say that these discriminations within the community are no less bad. You should assume that within a community like ours, everyone is acting in the same way but this is far from the case. At least I don’t feel that way. It starts with gays who are too busy, over to masculine lesbians, up to all the false statements about transgender and all the other wonderful life possibilities that exist. Many things are said out of ignorance, but shouldn’t we know that this is not an excuse? If I don’t know one area, there are two ways to deal with my ignorance. Either I inform myself, or I fucking shut the fuck up. And I don’t rule out my own misconduct. But that doesn’t mean that I don’t want to do it better in the future.

I am a woman who likes to dress masculine, who likes to wear short hair and who is therefore far from being the „Kampflesbe“. (what a cruel word this is actually). I certainly have „strong“ sides and may seem unapproachable at times, but anyone who knows me, knows that there are other sides, sides I’m not ashamed for, quite the opposite. I like tearjerkers and movies to cry about, I like hugs and people with a smile on their face and I like to be a „softy“ at the right moment … but above all I like to be a woman. And I don’t let that be denied to me anymore.

We should not tell people how to be. And if they are different, hey then talk to them, let them explain it to you or at least keep your mouth shut and don’t judge.

On the Stonewall March today I met a lady who was well over 50. She said these demonstrations were so important to her because she knows how it started. She wasn’t at „the beginning“, but she is old enough to judge how it was in the past. And yes, a lot has happened. But it is not enough yet. In her eyes I could somehow see, that it was still hurting her. Memories…of times when we just couldn’t live as openly as we perhaps can today. This generation of those who have to bear this pain and the memories of it will eventually no longer be there, one day. So we have to make sure that the remembrance of where all this has its origin will not get lost. That we pass this on to future generations to understand that a CSD is not just a colorful party with lots of alcohol and fun, but that there were and still are people dying. Dying, because they are what they are.

And even though I may have been lucky in some areas of my life, I have also had experiences that have influenced me. And also with me was not everything easy going, but I realize and am grateful that I had luck. Luck that I wasn’t sent into therapy, was beaten, abused, rejected by my family, had to sleep on the couch with friends or in the car, that I didn’t get told that I shouldn’t come home anymore because of that… I could continue this list endlessly. In my case, it just didn’t seem that anyone really cared about it and maybe I had the strength to banish people from my life who weren’t good to me. But we who are strong should fight for those who are not and need our help. And even if I am sometimes tired and even if I once said, now is the time for the generation after us to continue… since this weekend I know again that one simply cannot and should not pull oneself out of the affair…

Passt gut auf Euch auf!
Sandra

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